Fünf Tage auf der Fusion – fünf musikalische Neuentdeckungen
Schon lange auf dem Radar und dieses Jahr hat’s endlich geklappt. Mit zwei guten Freunden ging’s letzte Woche nach Deutschland aufs Fusion Festival – eines der grössten und wohl spannendesten alternativen Musikfestivals Europas. Es gab wahnsinnig viel gute Musik auf die Ohren. Fünf persönliche Neuentdeckungen möchte ich gerne mit euch teilen.
Beim Schreiben dieses Blogbeitrags sitze ich gerade im Auto auf unserer zehnstündigen Reise zurück in die Schweiz und lasse die letzten Tage Revue passieren. Und die waren unglaublich toll und ganz schön eindrücklich. Nachdem wir letztes Jahr die letzte Ausgabe des Melt miterleben durften, hatten wir dieses Jahr auf Anhieb Glück beim Losverfahren und waren gemeinsam bei der 26. Fusion dabei.
Schon sehr viel Positives über dieses unvergleichliche Festival und die fünftägige „Parallelgesellschaft der ganz speziellen Art fernab des Alltags“ gehört, war ich gespannt, aber auch leicht skeptisch, was mich an diesem speziellen Ort erwarten würde. Fazit: Uns wurde definitiv nicht zu viel versprochen.
Das riesengrosse, nicht-kommerzielle und werbefreie Festival in Lärz in der Nähe von Berlin hat in Sachen Professionalität, Hospitality, kuratiertes Programm, Bühnendesign, Soundsysteme, Geländegestaltung, Essensangebot, aber auch kultureller Vielfalt, Nachhaltigkeit und Inklusion wirklich alles übertroffen, was ich jemals an einem Festival erlebt habe. Und ich durfte schon einige Festivals kennenlernen. Das Festival ist wild, frei, solidarisch und mutig mit einer klaren politischen Haltung gegen rechte Hetze, was höchsten Respekt verdient.
Das vom Verein Kulturkosmos organisierte und von über 200 Kollektiven mitgestaltete Fusion Festival ist viel mehr als fünf Tage beste elektronische Musik und DJ-Sets zu allen beliebigen Tageszeiten. Einzutauchen in ein riesengrosses, immersives DIY-Gesamterlebnis mit über 30 Bühnen, Musik aus aller Welt und allen erdenklichen Genres, Workshops, Theater, Kino, Kunstinstallationen, mehr als 2500 Artists, handyfreien Crowds und rund 70’000 ausnahmslos friedlich feiernden Menschen, war ein unvergessliches Erlebnis.
Im Fusion-Line-up, das erst wenige Stunden vor Festivalbeginn veröffentlicht wird, fand man von ganz klein bis ziemlich gross wirklich alles. So hat Kraftklub die Kapazität einer der grössten Openairbühnen auf dem Gelände ans Limit gebracht (ja, das OASG war trotzdem nicht die einzige Festivalshow dieses Sommers), Bibiza hat geliefert und Ikkimel war auch da. Aufstrebende Indie-Acts wie Sharktank, Friedberg oder Dolphin Love, Techno-Grössen wie NTO oder Christian Löffler sowie die Funk-Legende Nik West oder die Reggae-Ikone Queen Omega: Sie alle waren Teil dieses vielfältigen Line-ups. Und ja, sogar die Punk-Fans kamen mit Bands wie Team Scheisse oder Pogendroblem auf ihre Kosten.
Am Ende waren es vor allem die vielen kleinen, unbekannten Perlen, die das Festival geprägt und besonders gemacht haben. Total überfordert vom riesigen Programm, haben wir uns zu Beginn den Tipp eines erfahrenen “Fusionisten” zu Herzen genommen: Sich einfach treiben lassen, denn es ist sowieso unmöglich, alles zu sehen. Das haben wir versucht und dabei viele musikalische Schätze entdeckt. Das Festival hat mir dabei mal wieder eindrücklich gezeigt, dass Streamingzahlen oder Bekanntheit nichts über die musikalische Qualität auf der Bühne aussagen. Fünf meiner Neuentdeckungen möchte ich euch deshalb nicht vorenthalten.
Viel Spass beim Reinhören. Ob es nächstes Jahr gleich wieder auf die Fusion geht oder doch zurück zum heimischen Openair St. Gallen? Eine schwierige Entscheidung… Warum finden die eigentlich genau am selben Wochenende statt?
Omega Nebula
Unser allererster Act am Mittwochabend auf der Zeltbühne “Palast zur Republik” und deshalb noch sehr gut in Erinnerung. Spontan reingelaufen und schon da gemerkt, dass das Festival was ganz besonderes ist. OMEGA NEBULA ist ein elektronisches Future-Dub-Duo aus England mit wuchtigen Basslines, intensiven Vocals und einer energiegeladenen Live-Show zwischen Dub, Reggae und Dubstep. Ich bin Fan.
Montezuma
Beim Line-up durchstöbern per Zufall entdeckt und direkt verliebt. „Ein bunter Wald aus treibenden Trommeln und zirpenden Grillen: Montezuma aus Berlin legen tropische Äquatorvibes auf den Plattenteller, allerdings bei Techno-Rotationsgeschwindigkeit und mischen diese in einer einzigartig pfleglichen und organischen Selbstverständlichkeit mit Live-Instrumentierung aus Sax, Gitarre und Bongos.“ Ein überragendes, dreistündiges Set mit fesselnder Energie und einer riesigen Crowd auf dem „Sonnendeck“. Montezuma sollte man definitiv auf dem Schirm haben.
Jungle by Night
Auch zufällig bei uns auf dem Campingplatz entdeckt und uns schon während dem Essen darauf eingestimmt. Für mich als grossen Snarky Puppy-Fan ein Must-See. Im Vergleich deutlich elektronischer und synth-lastiger, aber nicht weniger überzeugend. Das 2009 gegründete, sieben- bis neunköpfige niederländische Kollektiv Jungle by Night aus Amsterdam spielt eine eklektische Mischung aus Ethnojazz, Afrobeat und Afrofunk. Absolute Vollprofis an den Instrumenten, die jedes Musikerherz höherschlagen lassen.
Jenny Cara
Neben Softloft (leider verpasst) und Lakiko eine der wenigen Schweizer Acts, die die Ehre hatten, auf der Fusion zu spielen: DJ, Aktivistin und ehemalige Bookerin der „Zuki“ aus Zürich Jenny Cara. Sie legte b2b mit DJ Frank auf. Ein sehr hübsches Nachmittags-Set aus der House-/UK Bass-Ecke am Fusion-Donnerstag. Definitiv zu empfehlen und auch immer wieder in Schweizer Clubs live zu erleben. By the way: Hier noch ein spannendes Interview mit ihr vom Februar.
Stuzzi
Der schwedische Multiinstrumentalist Stuzzi entfachte zusammen mit seiner überzeugenden Liveband auf der wunderschönen Seebühne ein Feuerwerk aus tropischen Beats und ekstatischer Spielfreude. Ein mitreissender Mix aus Disco, Cumbia, House, Funk und Rave. Bisschen schräg, aber purer Genuss. Er spielt im August an den Winterthurer Musikfestwochen. Gratis. Wer das verpasst, ist selbst schuld.